Flipped Classroom: Lehre “umdrehen”

Das Konzept des Flipped Classroom ist weit verbreitet. Unserer Erfahrung an Hochschulen nach wird der Flipped Classroom manchmal sogar über den grünen Klee gelobt und in jede Veranstaltung gepresst (was didaktisch nicht immer ganz durchdacht ist). Genauso haben wir es aber auch schon erlebt, dass das Konzept missverstanden und darum als überhaupt nicht sinnvoll abgetan wird. Aus diesem Grund möchten wir uns den Flipped Classroom und seinen unbekannteren Zwillingsbruder, den Inverted Classroom, in diesem weit&weiter-Beitrag genauer ansehen. Denn nur so können Sie als Lehrperson entscheiden, ob und wie Sie das Konzept in Ihrer eigenen Lehre einsetzen möchten.

Was ist Flipped Classroom?

Grundsätzlich bedeutet das Konzept des Flipped Classrooms, die Phasen des klassischen Unterrichts umzudrehen (engl. “to flip”). Klassischer Unterricht ist in diesem Fall gleichzusetzen mit einem Modell, in dem die Lernenden während einer Unterrichts- oder Vorlesungseinheit Inhalte durch eine Lehrperson vermittelt bekommen und das Gelernte anschließend allein vertiefen.

Im Flipped Classroom dagegen werden die Lehrinhalte im Vorfeld der synchronen Veranstaltung asynchron zur Verfügung gestellt und von den Lernenden eigenständig erarbeitet. Die Zeit im synchronen Meeting wird für tiefe Diskussionen und interaktive Praxis genutzt.

Der Flipped Classroom ist damit eine Form des Blended Learnings. Doch Vorsicht: Da Blended Learning jede Art der Vermischung synchroner und asynchroner Lehre sowie reeller und virtueller Präsenz meint (die komplette Erklärung liefert unser Blogartikel zu Blended Learning), ist das Flipped Classroom-Modell nicht damit gleichzusetzen! Blended Learning ist der Überbegriff, Flipped Classroom ist eher eine Art Unterkategorie.

Und was ist Inverted Classroom?

Flipped und Inverted Classroom – hierbei handelt es sich um Synonyme. Sie meinen beide das Konzept des eben beschriebenen “umgedrehten” Unterrichts. Lediglich der Kontext ist verschieden: Der Begriff „Flipped Classroom“ wird im Schulbereich, und „Inverted Classroom“ im Hochschulkontext verwendet.

So zumindest sagt es die Literatur. Unserer Erfahrung nach ist vielen Hochschullehrenden der Begriff “Flipped Classroom” wesentlich geläufiger als “Inverted Classroom”. Das ist ja aber gar nicht schlimm, viel wichtiger ist schließlich eine gut durchdachte Umsetzung.

Wofür sich Flipped oder Inverted Classroom eignet

Großer Vorteil vom umgedrehten Unterrichtskonzept ist, dass die Lernenden sich die Inhalte in ihrem eigenen Tempo und zu den ihnen am besten passenden Zeiten erarbeiten können. Videos oder Audiodateien kann man z. B. beliebig oft ansehen, anhören oder pausieren. Was sie nicht verstehen, können die Lernenden direkt selbst recherchieren. Somit sind sie aktiv im Lernprozess eingebunden. Ein weiterer Vorteil ist die Verfügbarkeit der Lehrmaterialien auch im Nachhinein der Veranstaltung. Sie können zur Vorbereitung auf eine Prüfung oder im weiteren Studienverlauf erneut genutzt werden.

Was beim Einsatz von Flipped oder Inverted Classroom zu beachten ist

Mit einigen der Vorteile kommen auch Nachteile daher bzw. Aspekte, bei denen man als Lehrperson aufpassen muss. Im Flipped oder Inverted Classroom ist ein hohes Maß an Selbststeuerung der Studierenden nötig. Dies kann auch überfordernd sein. Überlegen Sie daher vor dem Einsatz des Konzepts, ob Ihre Zielgruppe mit dieser Anforderung umgehen kann, indem Sie bspw. Alter, Vorwissen ihrer Studierenden usw. ermitteln und in die Gestaltung der Lehrveranstaltung einbeziehen. Auch die Dichte und die Art Ihrer Lehrinhalte sollte bei Ihren Überlegungen eine Rolle spielen. Flipped/Inverted Classroom bietet sich z. B. in einem Seminar im Master-Studium wahrscheinlich eher an als in einer Bachelor-Grundlagenvorlesung.

Das Konzept des Flipped bzw. Inverted Classroom ist außerdem kein Selbstläufer. Die Selbstlern-Phasen müssen gut vorbereitet werden. (Mehr dazu können Sie in unserem Blogartikel zu Selbstlern-Phasen nachlesen.) Videos oder Lesematerial sollten bspw. durch konkrete Aufgabenstellungen oder Leitfragen begleitet werden, damit die Studierenden wissen, worauf sie achten sollen. Die synchronen Sitzungen wiederum werden sich kaum von selbst mit interessierten Fragen und aktiver Beteiligung der Studierenden füllen. Auch dies sollten Sie geschickt anleiten, indem Sie verschiedene Sozialformen einbinden oder aktivierende Methoden einbetten und so die Lernendenzentrierung bewusst fördern.

Wichtig für die Akzeptanz der Studierenden ist außerdem, dass Sie ihnen das Konzept und Ihre Ziele erklären und ihnen auch Zeit geben, sich an das Modell zu gewöhnen. Erwarten Sie nicht in der ersten synchronen Sitzung sofort Diskussionen auf höchstem Niveau, in denen jede einzelne Person beteiligt ist. Eine solche Kommunikationskultur benötigt oft etwas Zeit.

Fazit: “Umgedrehte” Lehre sollte immer gut durchdacht sein

Als didaktisches Konzept bietet der Flipped bzw. Inverted Classroom einige Vorteile. Doch eine schlechte Veranstaltung wird durch ihn nicht besser. Auch bei diesem Konzept gilt es, die eigene Lehrveranstaltung im Sinne des Constructive Alignments sorgfältig zu planen. Doch wenn Sie das tun, gelingt es Ihnen sicher bald, die Vermittlung der Lehrinhalte geschickt ins Asynchrone zu verlagern und die wertvolle synchrone Sitzungszeit mit Interaktion zu füllen. Dann haben Sie das Potenzial des Flipped bzw. Inverted Classroom voll entfaltet!

weit&weiter unterstützt Sie beim “Flippen”

Im Workshop „Blended Learning: Der richtige Mix für Ihre Lehrveranstaltung“ lernen Sie Möglichkeiten wie den Flipped Classroom, aber auch Alternativen, genauer kennen.

Der Workshop „Lehrveranstaltungsplanung“ hilft Ihnen, Ihre Lehre strukturiert zu planen und aufzubereiten.

In weiteren Workshops haben Sie die Möglichkeit, sich auf die einzelnen Lehr- und Lehrsettings zu konzentrieren, um sie zu perfektionieren. Stöbern Sie gern durch unser Angebot oder kontaktieren Sie uns für eine individuelle Beratung.  

Quellen

  • e-teaching.org (2021): Inverted Classroom. Online unter: https://www.e-teaching.org/lehrszenarien/vorlesung/inverted_classroom (zuletzt aufgerufen: 25.05.2023).
  • Goodwin, B. & Miller, K. (2013): Research Says / Evidence on Flipped Classrooms is Still Coming in. In: Educational Leadership, 70 (6), S. 78–80. Online unter: https://www.ascd.org/el/articles/evidence-on-flipped-classrooms-is-still-coming-in (zuletzt aufgerufen: 25.05.2023).
  • Nimmerfroh, M.-C. (2016): Flipped Classroom. Der DIE-Wissensbaustein für die Praxis. Online unter: https://www.die-bonn.de/wb/2016-flipped-classroom-01.pdf (zuletzt aufgerufen: 25.05.2023).