“Blended Learning” ist schon lange ein gefragtes Schlagwort in der Lehre. In Corona-Zeiten gab es auf einmal viel “Online-Lehre”, nun wollen wieder alle zurück zur “Präsenzlehre”. Aber Moment mal, ist man in Online-Lehre etwa nicht präsent? Und wo bleibt eigentlich “E-Learning” in diesem Szenario? Ist das auch schon “Blended”? Wir sehen: Es wird Zeit, im Labyrinth der Begrifflichkeiten ein paar Wegweiser aufzustellen. Darum wird es in diesem Artikel gehen, bei dem es sich um einen Beitrag zur weit&weiter Reihe “Was ist Was: Hochschuldidaktik” handelt.
Das Wichtigste vorab: Synchron oder asnychron?
Die Didaktik unterscheidet grundsätzlich zwischen synchroner und asynchroner Lehre. Dies sind die zwei grundlegenden Szenarien, die auch beim weiteren Lesen des Artikels im Hinterkopf bleiben sollten. Synchrone Lehre ist gleichzeitiges Lehren und Lernen: Lehrperson und Studierende sind z. B. zusammen im Hörsaal oder in einer Webkonferenz. Asynchrone Lehre ist das Gegenteil: Lehren und Lernen finden zeitversetzt und nicht gleichzeitig statt, z. B. in einem Selbstlern-Workshop.
Präsenz zeigen – in der Präsenzlehre
Wie Präsenzlehre definiert ist, ist doch eigentlich klar. Oder nicht? Wir von weit&weiter haben das Gefühl, dass beim Wort “Präsenzlehre” das Gesagte und Gemeinte spätestens seit den Corona-Zeiten sehr auseinander geht. Beispielsweise werden Sätze gesagt wie “Wir können uns nicht in Präsenz treffen. Ich mache jetzt Online-Lehre.”
Bringen wir Orientierung ins Labyrinth: Bei Präsenzlehre denkt man sicher schnell an die physische Präsenz, also zum Beispiel im Hörsaal. Doch dazu kommt heute noch die digitale Präsenz, zum Beispiel in einer Webkonferenz. Dort sind Lehrende und Studierende aber auch „präsent“. Sie hören zu und arbeiten gemeinsam. Das Gemeinsame ist also die soziale Präsenz infolge der Gleichzeitigkeit von Interaktionen mit all ihren damit verbundenen Chancen und Grenzen.
Wenn wir es ganz genau nehmen wollen, müssen wir die Präsenzlehre also differenzieren zwischen reeller und virtueller Präsenz. Sowohl reelle als auch virtuelle Präsenzlehre ist als synchrone Lehre charakterisiert.
Und das wiederum bedeutet: Präsenzlehre ist nicht das Gegenteil von Online-Lehre (wie im Alltag oft so verwendet). Denn virtuelle Präsenzlehre in z. B. einer Zoom-Konferenz ist zugleich auch Online-Lehre.
Welche Mischung mögen Sie? Blended Learning!
Blended Learning ist ein Lehr- und Lernsetting, das Präsenzlehre – egal, ob reell oder virtuell – mit Online-Lehre kombiniert bzw. vermischt. Es erfolgen sowohl Phasen, in denen sich alle Teilnehmenden in reeller Präsenz treffen, als auch Phasen, die rein online stattfinden. Blended Learning kann genauso eine Kombination aus synchronen und asynchronen Phasen bedeuten. Hierunter fallen also auch Unter-Kategorien wie die hybride Lehre. Der nächste Abschnitt soll Ihnen mehr Klarheit über die soeben genannten Begriffe und ihre Bedeutung verschaffen.
Alle Definitionen auf einen Blick
Synchrone Lehre: Gemeinsames Lehren und Lernen zur gleichen Zeit am gleichen Ort.
Der Ort kann hierbei reell oder virtuell sein. Die Teilnehmenden können sich mit der Lehrperson also gleichzeitig in einem Hörsaal bzw. Seminarraum oder auch per Webkonferenz treffen.
Asynchrone Lehre: Nicht-gleichzeitiges Lehren und Lernen.
Es besteht eine räumliche und zeitliche Flexibilität. Lehrende stellen Materialen zur Verfügung und Lernende erarbeiten sich die Inhalte wann und wo sie möchten.
Präsenzlehre: Entspricht synchronem Lehren und Lernen, welches reell oder virtuell stattfinden kann.
Die Gemeinsamkeit zwischen reeller und virtueller Präsenz besteht in der sozialen Präsenz in Folge der Gleichzeitigkeit ihrer Interaktionen mit all ihren Chancen und Grenzen.
Online-Lehre: Lehr- und Lernsetting, das vollständig online stattfindet.
Online-Lehre kann sowohl reine synchrone wie auch reine asynchrone Lehr- und Lernsettings, aber auch eine Mischung aus synchronen und asynchronen Lehr-Lerneinheiten bedeuten.
E-Learning: Electronic Learning, also elektronisches/digitales Lernen.
E-Learning bezeichnet die Nutzung digitaler Medien zu Lehr- und Lernzwecken und kann online wie auch offline erfolgen.
Hybride Lehre: Synchrones Lehren und Lernen mit sowohl reeller als auch virtueller Präsenz.
In einem hybriden Lehr- und Lernsettings befinden sich einige Teilnehmende vor Ort im Hörsaal bzw. Seminarraum und andere Teilnehmende nehmen via Webkonferenz an der Lehr- und Lerneinheit teil.
Grundbegriffe des Lehrens und Lernens zusammengefasst
Schauen wir nun noch einmal genauer hin: Das Konzept „Blended Learning“ kann ein Mix aus allen soeben aufgeführten Formen des Lehrens und Lernens sein. Die folgende Grafik zeigt, dass die entscheidenden Komponenten des „Blends“ (Mixes) der Ort und die Zeit sind. Lehren und Lernen kann am physikalisch gleichen Ort oder an verschiedenen Orten stattfinden. Zudem können Lehr- und Lernprozesse zur gleichen Zeit oder zu verschiedenen Zeiten erfolgen. In den Grafiken sehen Sie die verschiedenen Möglichkeiten im Überblick:
Ein guter Blend
Für einen „guten Blend“ gibt es kein Patent-Rezept. Die Reihenfolge, der Wechsel und das Ausmaß der verschiedenen Lehr- und Lernsettings ist immer individuell. Entscheidend ist ein didaktisch sinnvoller Einsatz der verschiedenen Möglichkeiten, denn es ist erst dann ein guter Mix, wenn die einzelnen Einheiten durchdacht miteinander kombiniert werden.
Durch das Labyrinth der Begrifflichkeiten werden Sie auch in unserem weit&-weiter-Video zu den Grundbegriffen Lehren und Lernen geführt, das Sie auf unserem Youtube-Kanal finden:
weit&weiter hilft Ihnen bei Ihrem individuellen Blend
Quellen
- blended learning network (o.J.): Was verstehen wir unter Blended Learning? Online unter: https://www.blended-learning-network.eu/network/de/blended_learning_definition.php (zuletzt aufgerufen: 25.05.2023).
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- Kerres, M. (2013): Mediendidaktik. Konzeption und Entwicklung mediengestützter Lernangebote (4. Auflage). Oldenbourg Verlag.
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- Reinmann, G. (2021): Hybride Lehre – Ein Begriff und seine Zukunft für Forschung und Praxis, in: Impact Free, Journal für freie Bildungswissenschaftler, 1–10.
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