Lerntypen und Lernstile oder wie wir am besten lernen

Lange glaubte man, dass Menschen einen bestimmten Lerntyp haben, der beschreibt, wie sie am besten lernen können. Doch die Wissenschaft legt heute nahe, dass diese Ansicht nichts weiter als ein Mythos ist. Statt von fixen Lerntypen sollte man von Lernstilen ausgehen und davon gibt es ziemlich viele. Die bekanntesten Lerntypen und Lernstile stellen wir in diesem Beitrag vor.

Lerntypen-Theorie nach Frederic Vester

Sicher haben Sie auch schon einmal von der „Lerntypen-Theorie“ gehört, die besagt, dass Lernende am besten lernen, wenn deren bevorzugter „Kanal“ angesprochen wird. Diese Theorie wurde in den 70er Jahren von Frederic Vester aufgestellt.

Die vier Kanäle oder eben Lerntypen sind:

  • der visuelle Typ (lernt am besten, wenn er die Information visuell vermittelt bekommt, z. B. durch Lesen, Schaubilder usw.)
  • der auditive Typ (lernt am besten übers Hören, also z. B. wenn er etwas erklärt bekommt)
  • der haptische Typ (lernt am besten, wenn er etwas dabei anfassen, ausprobieren, anwenden kann)
  • der kognitive oder auch intellektuelle Typ (lernt am besten durch Nachdenken).

Die Lerntypen-Theorie auf dem Prüfstand

Aber es gibt einige große Kritikpunkte an der Theorie: Drei der Lerntypen beziehen sich auf bestimmte Wahrnehmungsweisen und Aufnahmekanäle für Informationen, während es beim vierten Typ um Verstehensprozesse geht. Beim kognitiven Lerntyp geht es nicht um eine bestimmte Art zu lernen, sondern vielmehr um den Prozess der Verarbeitung des Wissens. Doch anschließend an die Wahrnehmung von visuellen, akustischen oder haptischen Signalen werden die Informationen immer kognitiv verarbeitet.

Außerdem werden Faktoren wie Vorwissen, intellektuelle Voraussetzungen, die Kapazität des Arbeitsgedächtnisses oder v. a. die Lernmotivation in Vesters Theorie gar nicht berücksichtigt. Beim Lernen spielen sie aber ebenso eine Rolle.

Daher zeigen mittlerweile Aufsätze und empirische Studien: Diese vier Lerntypen nach Vester sind nicht klar voneinander abgrenzbar und in sich widersprüchlich. Es gibt zu viele verschiedene Lerntypenmodelle und es gibt keine stichfeste Art und Weise der Ermittlung des Lerntyps.

Lernstile statt Lerntypen

Deshalb spricht die Lernpsychologie heute nicht mehr von Lerntypen, sondern von Lernstilen. Mit diesem Begriff werden unterschiedliche Lernfähigkeiten differenziert und z. B. auch die emotionale Voraussetzung für das Lernen, die Eigenmotivation für das Fach, die Lernumgebung oder auch die Fähigkeit, Gelerntes kritisch zu hinterfragen, einbezogen.

Ein wesentlicher Unterschied zwischen Lerntyp und Lernstil ist:

Die Lernstil-Konzepte beruhen darauf, dass Lernenden grundsätzlich alle Wahrnehmungs- und Sinneskanäle zur Aufnahme von Informationen zur Verfügung stehen. Allerdings entwickelt ein Mensch im Laufe seines Lebens Vorlieben und Stärken für bestimmte Wahrnehmungs- und Verarbeitungskanäle. Dennoch ist für ein effektives Lernen immer eine Vermischung von verschiedenen Lernstilen am besten: Welcher Lernstil verwendet wird, ist somit situations- und gegenstandsabhängig.

In der Literatur finden sich heute über 80 verschiedene Lernstil-Modelle.

Die Lernstil-Theorie nach David Kolb

Eine der bekanntesten Lernstil-Modelle ist die Lernzyklus-Theorie von David Kolb aus den 80er Jahren. Der Lernzyklus beginnt mit der konkreten Erfahrung, in der man sich mit neuen Inhalten offen und ausführlich auseinandersetzt. Im nächsten Schritt des Lernkreises folgt das reflektive Beobachten, bei dem beispielsweise theoretische Modelle erkannt werden. Der folgende Schritt besteht aus einer abstrakten Begriffsbildung, mit deren Hilfe Konzepte und Generalisierungen vorgenommen werden. Zuletzt folgt schließlich das aktive Experimentieren. Der Lernkreis beginnt immer wieder von vorne. Nach dem Schritt des Experimentierens setzt man also erneut das neue Wissen in konkrete Erfahrungen um.

Alle Personen durchlaufen somit all diese Schritte beim Lernen. Aber jeder Mensch fühlt sich in einer bis zwei Etappen meist wohler als als in anderen.

Folgende Lernstile ergeben sich daraus und verbinden jeweils zwei der Schritte des Kolbschen Zyklus:

  • Divergierer/Entdecker lernen aus der Reflexion von gemachten Erfahrungen.
  • Assimilierer/Denker bilden aus reflektierten Beobachtungen Begriffe & Theorien.
  • Konvergierer/Entscheider probieren aktiv Theorien aus.
  • Akkomodierer/Macher sammeln aus experimentellem Handeln ihre Erfahrungen.

Im Schaubild sind der Lernzyklus nach Kolb und die daraus resultierenden Lernstile dargestellt.

Reflexion des eigenen Lernstils

Nun sind Sie dran: Wann und wie lernen Sie am besten? Bei der Reflexion unseres eigenen Lernverhaltens erfahren wir meist interessante Dinge über uns selbst und mit dem Wissen über den eigenen Lernstil können wir unser Lernen nachhaltig verbessern. Als Hochschullehrende sollten Sie sich außerdem der verschiedenen Lernstile Ihrer Studierenden bewusst sein und immer möglichst mehrere Stile ansprechen. Dann lernen Ihre Studierenden möglichst viel und gut.

Mehr Informationen zu Lerntypen und Lernstile

Wir von weit&weiter haben ein Video gedreht über Lerntypen und Lernstile, das Sie auch auf unserem Youtube-Kanal finden.

Der Kolbsche Lernkreis ist außerdem häufig Grundlage unserer didaktischen Haltung in unseren Workshop-Angeboten. Wenn Sie mehr darüber erfahren möchten, freuen wir uns über Ihre Kontaktaufnahme.

Quellen

  • Kolb, David Allen (1984): Experimental Leaming. Englewood Cliffs, New Jersey: Prentice Hall.
  • Mitteldeutsches Institut für Qualifikation und Rehabilitation: 4 Lerntypen nach Vester mit Lerntypentest. Online unter: https://mitteldeutsches-institut.de/lerntypen/ (zuletzt aufgerufen: 08.04.2023)
  • Möller, Heidi (2006): Die Lernstilanalyse nach Kolb und ihre Konsequenzen für die Hochschul- und Schuldidaktik und die berufliche Aus- und Weiterbildung. In: Bildung schafft Zukunft/Innsbrucker Bildungstage, hg. v. Heidi Möller, Innsbruck: Univ. Press, S. 88–94.
  • Quilling, Kathrin (2015): Lernstile und Lerntypen Der DIE-Wissensbaustein für die Praxis. Online unter: https://www.die-bonn.de/wb/2015-lernstile-01.pdf (zuletzt aufgerufen: 08.04.2023)
  • Schrader, Josef (2008): Lerntypen bei Erwachsenen. Empirische Analysen zum Lernen und Lehren in der beruflichen Weiterbildung. Bad Heilbrunn: Klinkhardt.
  • Stangl, Werner: Lernstile nach Kolb. Online unter: https://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/LERNEN/LernstileKolb.shtml (zuletzt aufgerufen: 08.04.2023)
  • Vester, Frederic (1975): Denken, Lernen, Vergessen. Was geht in unserem Kopf vor, wie lernt das Gehirn, und wann läßt es uns im Stich? Stuttgart.